Herr Kerlinger, Mitglieder dieses Bretts,
auf eine Verteidigung durch andere verzichte ich, da mir vermutlich auch schon ein unvoreingenommener Richter fehlt, deswegen werde ich mich selbst verteidigen, auch wenn ich bezweifle, dass ich es schaffe Sie davon zu überzeugen, dass so mancher Papst nun mal nicht jedem Christenmensch ein Vorbild war, auch Ihre Argumentation kann ich schlicht nicht widerlegen, weil sie, wie der Glaube nun mal ist, sich an einem Dogma, nämlich der Unfehlbarkeit der Päpste, orientiert, trotzdem werde ich versuchen, Sie mit einer erdrückenden Beweislast von der Richtigkeit meiner Behauptung zu überzeugen.
Aber bevor ich mich auf eine lange Liste von Päpsten vorgeworfenen Vergehen stürze, werde ich zu erst einmal versuchen klarzustellen, dass für mich nicht alle Päpste Sünder sind, sieht man sich die Liste der 257 Päpste, die von der katholischen Kirche anerkannt wurden, einmal genauer an, so erkennt man, dass sich nur eine Minderheit tatsächlich verbrecherisch verhielt, trotzdem schlichen sich in diese lange Reihe von moralischen und für das Amt geeigneten Menschen eine Reihe schwarzer Schafe ein, das ist nichts außergewöhnliches, das Amt des Papstes besteht, seit fast zwei Jahrtausenden, kaum ein Amt wurde solange vergeben, sieht man vom Patriarchen von Alexandria ab, ist es das am längsten weitergegebene Amt der christlichen Welt, dass sich in dieser Zeit einige unlautere Personen das Amt des Pontifex Maximus erschlichen, liegt sozusagen in der Natur der Sache, jede Dynastie, Interessengemeinschaft, Vereinigung, oder andere Gruppierung in der Individuen Ideale weiterzugeben versuchen, wird beinahe zwangsläufig früher oder später von einem oder mehreren Individuen unterwandert die nicht diesem Ideal entsprechen, das zeigt sich nicht nur in der Geschichte der Päpste, sondern schon in der Bibel, Luzifer beginnt einen Krieg gegen Gott, die Schlange kommt ins Paradies, Judas schließt sich den Jüngern Jesu an, ob das nun der Teufel war, oder ob der Mensch nun einmal unvollkommen ist, oder Gott uns da auf die Probe stellt, tut nichts zur Sache, es beweist nur, dass niemand unfehlbar, niemand vollkommen perfekt ist, warum sollte es bei den Päpsten anders sein?
Nun werde ich einige Päpste aufzählen, die in ihrem Amt nicht gerade glänzten, zu erst einmal die Päpste zur Zeit der Pornokratie, vielleicht haben Sie meinen Hinweis auf den Artikel von Peter de Rosa ("PÄPSTLICHE PORNOKRATIE") an anderer Stelle schon gesehen, Herr de Rosa kann sich zwar manchen Seitenhieb gegen kirchliche Würdenträger nicht verkneifen, sein Artikel ist aber auf jeden Fall lesenswert.
Bevor es aber zur "Pornokratie" kam, der Episode der Kirchengeschichte die grotesker anmutet als jede andere, war das Amt des Papstes bereits zu einer Lachnummer verkommen, hatten die vorangegangenen Päpste noch versucht die päpstliche Macht zu erneuern (der letzte von ihen war vermutlich Nikolaus I.), kamen immer mehr "Sittenstrolche" (anders kann man sie kaum nennen) auf den Stuhl Petri, die Marionetten des römisch-italienischen Adels waren und die ermordet oder abgesetzt wurden, wenn sie einem der ansässigen Potentaten in die Quere kamen, als erste von diesen Lachnummern, könnte man Hadrian II. sehen, der als er zum Priester geweiht wurde noch verheiratet war und es solange blieb bis seine Frau und seine Tochter vom Verwandten eines vertriebenen Gegenpapstes ermordet wurden.
Sein Nachfolger, Johannes VIII. starb dann entweder im Kampf gegen die Sarazenen, oder wie auch oft erzählt wird, und hier wird es pikant, nachdem seine Verwandten zunächst versucht hatten, ihn zu vergiften, sollen sie ihn, als das Gift nicht schnell genug wirkte, mit einem Hammer erschlagen haben. Das ist zwar für sich keine Sünde des Papstes, belegt aber sehr gut, wie wenig Autorität das Amt des Papstes zu dieser Zeit noch besaß.
Nachdem wieder einige Päpste an die Macht kamen, die zwischen fränkischen und italienischen Fürsten, Königen und Kaisern Frieden stifteten und die Missionierung in Osteuropa voran getrieben hatten, kam mit Stephan VI. ein Papst ins Amt der einen seiner Vorgänger Formosus ausgraben und dessen Leiche aburteilen ließ (ihr wurden drei Finger abgehackt), interessant hieran ist wie ich finde, dass die Päpste sich nicht einmal gegenseitig für unfehlbar hielten.
Machen wir einen Zeitsprung zu Sergius III., dieser steht nun tatsächlich am Anfang der Pornokratie handelt es sich bei ihm doch um den Papst, der sie erst ermöglichte, indem er sich die 30 Jahre jüngere Marozia zur Geliebten nahm, eine Geliebte war in diesem Zeitalter nicht unbedingt selten, nicht einmal für einen Papst, wohl aber war Marozia außergewöhnlich, sie genoss die Macht die ihr als Geliebte des Papstes zufiel so sehr, dass sie bald nach dem Tod ihres Liebhabers begann ihre eigenen Päpste einzusetzen, wobei sie von ihrer Mutter, die mit dem Papst Johannes X. eine Affäre gehabt haben soll, unterstützt wurde.
Das Mutter Tochter Gespann brachte mindestens vier von ihnen komplett abhängige Päpste an die Macht, namentlich Johannes X., der fallen gelassen wurde, als er zu große eigene Ambitionen entwickelte, in die Engelsburg gesperrt und schließlich ermordet wurde, Leo VI., der nur kurz im Amt weilte und noch zu Lebzeiten durch Stephan VII. ersetzt wurde und Johannes XI. ein Sohn der Marozia und Papst Sergius III., bis sie schließlich von ihrem eigenen Sohn aus anderer Ehe (insgesamt war sie drei mal verheiratet)Alberich II. eingekerkert wurde.
Die Pornokratin war zwar damit aus dem Weg, ihr "treuloser" Sohn setzte danach, ganz die Mutter, die Päpste nach Belieben ein, ihr Enkel Johannes XII. schaffte es durch ihn dann noch auf den Papststuhl, dieser war dermaßen zügellos, dass es heißt (Zitat aus dem Artikel von Peter de Rosa):
"Ganze Klöster beteten Tag und Nacht um sein Ableben.Selbst für einen Papst jener Epoche war er so schlimm, dass die Bürger ihm nach dem Leben trachteten. Er hatte Sünden erfunden, sagten sie, die seit Anbeginn der Welt unbekannt waren, einschließlich mit der eigenen Mutter zu schlafen. Er unterhielt einen Harem im Lateranpalast. Er trieb mit den Opfergaben der Pilger Glücksspiel. Er hielt zweitausend Pferde und fütterte sie mit in Wein getränkten Mandeln und Feigen. Er belohnte die Gefährtinnen seiner Liebesnächte mit goldenen Kelchen von St. Peter. Er tat nichts für den einträglichsten Tourismuszweig der Zeit, die Pilgerreisen. Besonders Frauen wurden gewarnt, San Giovanni in Laterano nicht zu betreten, wenn ihre Ehre ihnen lieb war : Der Papst war immer auf Jagd. Vor dem Hochalter der Mutterkirche der Christenheit trank er sogar auf den Teufel.Papst Johannes erregte solchen Zorn, dass er um sein Leben fürchtete, St. Peter plünderte und nach Tivoli floh."
Endgültig klang die Pornokratie erst mit Benedikt VI. aus, dieser ließ seinen Vorgänger Johannes XIII. inhaftieren nur um kurz darauf von seinem Nachfolger Bonifatius VII. erwürgt zu werden, damit endet eine Epoche der Kirchengeschichte die sündiger war als jede andere, Schluss mit den sündigen Päpsten war aber noch lange nicht, wie ich mit einem Zeitsprung in die Renaissance zeigen werde.
Zuvor hatte ich erwähnt, dass man von den elf Päpsten der "Kernzeit" der Renaissance, also von 1464 bis 1555, nur vier Stück ein christliches Leben bescheinigen kann, hier werde ich darlegen welchen Verbrechen sich die anderen hingaben.
Hier ist eine Liste der Päpste dieser Zeit, alle denen ich Sünden nachzuweisen versuche sind fett gekennzeichnet:
Paul II. (1464-1471)
Sixtus IV. (1471-1484)
Innozenz VIII. (1484-1492)
Alexander VI. (1492-1503)
Pius III. (1503)
Julius II. (1503-1513)
Leo X. (1513-1521)
Hadrian VI. (1522-1523)
Clemens VII. (1523-1534)
Paul III. (1534-1549)
Julius III. (1550-1555)
Aber zuerst ein paar Sätze über den Zustand des Pontifikats jener Zeit, das Papsttum war ähnlich wie zur Zeit der Pornokratie, verkommen, die Päpste sahen sich nicht als geistige Lehrer, sondern als weltliche Fürsten, die ihre eigene Politik machten, Kriege führten und dabei nicht weniger rücksichtslos vorgingen als ihre Zeitgenossen.
An dieser Stelle möchte ich einen Vergleich zwischen den "Pornokraten" und den Renaissancepäpsten ziehen, beide Gruppen füllten ihr Amt mehrheitlich beispiellos schlecht aus, doch die "Pornokraten" waren Kleingeister und Verbrecher, die es zwar schafften durch Mord und Folter in ihr Amt zu kommen, aber unfähig waren sich dagegen abzusichern, wie hätten sie es auch tun können? Standen sie doch alle unter der Herrschaft der "Pornokratin" Marozia, die sie nach Belieben ein und absetzte.
Die Renaissancepäpste waren ein völlig anderes Kaliber von Verbrechern, sie kamen aus der Oberschicht Italiens (oder im Falle der Borgia-Päpste aus Spanien, ihre Verwandten waren angesehene Stadtherren und Kaufmänner, sie kamen nicht ins Amt um ihren eigenen Machthunger zu stillen (oder gar um ihr Amt als Papst gerecht auszufüllen), sondern um die Zukunft ihrer Familien zu sichern und deren Ansehen zu mehren, vergleicht man diese Familien mit ihren heutigen Entsprechungen, denkt man vermutlich an Mafia Klans, wie der Casa Nostra, die Teile Italiens noch heute beherrschen.
Aber nun zu den einzelnen Päpsten, fangen wir bei Paul II. an.
Ihm kann man schon am Tag nach seiner Inthronisierung eine Todsünde nachweisen, nämlich die Lüge, wie es zur Papstwahl üblich war, hatte er den Kardinälen Versprechungen gemacht, in diesem Fall, die Verpflichtung der Christenheit auf einen Krieg gegen die Türken, doch kurz nach seiner Wahl widerrief er, außerdem war er ungebildet und dem Latein nicht mächtig, was zwar keine Sünde ist, aber eigentlich von einem Papst zu dieser Zeit erwartet werden kann, im Vergleich zu seinen Nachfolgern ist er aber noch ein relativ kleiner Fisch.
Über seinen Nachfolger Sixtus IV. wurde geurteilt,
"dass keine Liebe zu seinem Volk in ihm gewesen sei, nur Wollust, Geiz, Prunksucht, Eitelkeit; aus Geldgier habe er alle Ämter verkauft, mit Korn gewuchert, Abgaben auferlegt, das Recht feilgeboten; treulos und grausam hat er zahllose Menschen durch seine Kriege umgebracht. Den Tag von Sixtus' Tod nannte er den glückseligsten Tag, an welchem Gott die Christenheit aus den Händen eines solchen Mannes erlöste." (Stefano Infessura, Romani Diaria).
Ein anderer Zeitgenosse urteilte: "Es hätte diese Wahl beinahe zum Niedergang der Kirche des Herrn geführt."(Vespasiano da Bisticc)
Verzeihen Sie, dass ich hier nur zitiere, aber auch meine Zeit ist knapp bemessen, wenn Sie es wünschen gehe ich meinetwegen noch genauer auf die Sünden dieses Herren ein.
Auch Sixtus wurde wiederum von einem nicht gerade christlichen Menschen "beerbt", der bereits von mir erwähnte Innozenz VIII., der die Kardinäle bestach, so chronisch pleite war, dass er den Schatz des Vatikans verpfänden musste und spöttisch "patrem Roma" genannt wurde, weil er sechzehn Kinder hinterließ.
Nach dem Tod Innozenz kam ein Papst auf den Thron, der vielleicht zum europäischen Herrscher, keineswegs aber zum frommen Papst taugte, die Rede ist vom berühmt berüchtigten Borgia Papst, Alexander VI., der in puncto Vetternwirtschaft dem momentan vor sich hin tobendem Diktator Gaddafi in nichts nachsteht.
Als Machtpolitiker schrieb er zwar Kirchengeschichte und in seiner Bulle "Inter caetera" teilte er die neue Welt in zwei Teile und wenn es ihm passte war er auch großmütig, wie die Aufnahme der spanischen Juden in Rom bezeugt.
Bekannt wurde er aber vor allem als skrupelloser Kirchenfürst, so ernannte er Kardinäle für Bares und ließ für staatliche Summen selbst Mörder begnadigen („Der Herr will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er lebt und zahlt.“), sogar seine moralisch nicht gerade gefestigten Zeitgenossen kritisierten, dass er nicht einmal versuchte seine Kinder oder seine Mätresse (eine hielt er sich bis er über siebzig war) geheim zu halten.
Einer seiner Sprösslinge war übrigens Cesare Borgia, Machiavellis Vorbild für seinen Klassiker "Der Fürst".
Gefolgt wurde der letzte und berüchtigste Borgia Papst von Pius III., einem Spross des Piccolomini Klans, ob er sich zu einem tugendhaften oder wahrscheinlich eher zu einem sündigen Papst entwickelt hätte ist nicht feststellbar, starb er doch noch im Jahr seiner Papstwahl.
Darauf folgte Julius II. dem man Nepotismus und Sodomie vorwarf, zumindest ersteres steht außer Frage und ist für beinahe alle Päpste seiner Zeit belegt (zum einlesen geeignet
http://de.wikipedia.org/wiki/Nepotismus ... igen_Stuhl ), was den Vorwurf der Sodomie, hier vermutlich im Zusammenhang mit "Andersechsualität" gemeint, kann ich diesen nicht belegen, halte ihn aber für durchaus möglich.
Sein Nachfolger dürfte ihnen bekannt sein, Leo X., der sich mit dem "teutschen Mönchlein" Luther so sehr stritt, dass sich schließlich beide gegenseitig als Antichrist denunzierten, auch Leo entsprach mehr dem Bild des europäischen Potentaten seiner Zeit, als dem eines Johannes Paul II. unserer Tage, besonders bekannt wurde der Medici Papst als Mäzen (Sein Leitspruch soll gewesen sein: „Da Gott Uns das Pontifikat verliehen hat, so lasst es Uns denn genießen.“), der Kunstwerke in ganz Europa einkaufte , auch einen Elefanten und ein ausgestopftes Nashorn nannte er sein Eigen, Zerstreuung suchte der Kirchefürst bei der Jagd und ausgelassenen Maskenbällen, ihm sind zwar weder Mätressen noch Kinder nachgewiesen, da er aber in die Zeit des römischen Kurtisanenwesens fällt möchte ich Sie aber einmal hierauf aufmerksam machen
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurtisanen ... C3%A4psten .
Nach Leos Tod kamen in Rom zum ersten mal seit langem wieder mehrere sittenstrenge Päpste in Folge an die Macht, namentlich Hadrian VI., Clemens VII. und Paul III., sie hatten die undankbare Aufgabe dem in Europa aufkeimenden Protestantismus entgegen zu wirken und die Fehler ihrer Vorgänger wieder aus zu bügeln.
Trotzdem kam noch ein letzter sündiger Renaissancepapst auf Peters Stuhl, Julius III., dieser ließ die Vetternwirtschaft noch ein letztes mal aufblühen und wurde vor allem durch seine Judenfeindlichkeit bekannt, diese stellt aber zumindest laut Augustinus von Hippo keine Sünde dar und kann an dieser Stelle ignoriert werden.
Damit hätte ich einen Großteil der Vergehen der Päpste während der Renaissance und der Pornokratie zusammengefasst, den ein oder anderen sündigen Papst dürfte es in der langen Liste der Päpste noch geben, aber ich vermute das dürfte als Verteidigung ausreichen, zum einen weil es prinzipiell ja doch egal ist wie viele Vergehen ich hier belege, da Sie mit vorgefertigter Meinung lesen und argumentieren, zum anderen habe ich den Verdacht, dass nur eine Minderheit der Mitglieder dieses Brettes meinen Text ganz lesen wird.
Quellen:
Peter de Rosa's PÄPSTLICHE PORNOKRATIE
Wikipedia, die freie Enzyklopädie
Geschichtsforum.de
Mein Italien - Cesare Borgia
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
Mit wenig Hoffnung auf Erfolg, aber stolz auf seine Leistung,
Artioschi
P.s. Der Beitrag wurde von mir ergänzt um ihn lesenswerter zu machen.
Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.
-Johannes XXIII.