Alternativmedizin
Diabetikerin stirbt nach chinesischer Prügeltherapie
Die umstrittene Therapie eines chinesischen "Heilers" hat offenbar erneut ein Todesopfer gefordert: Eine 71-jährige Diabetikerin starb, nachdem sie unter Anleitung von Hongchi Xiao ihre Beschwerden bekämpft hatte. Mit Schlägen.
Für einen "Selbstheilungs-Arbeitsladen" war Danielle C. in das Dorf Seend im südwestenglischen Wiltshire gekommen. Fasten, Strecken und vor allem Klopfen standen auf dem Programm: Mit der umstrittenen "Paida Lajin"-Therapie wollte die 71-Jährige ihre Diabetes Typ 1 bekämpfen.
Erfunden wurde die Behandlungsmethode von Hongchi Xiao aus Hongkong. Der Ex-Banker verspricht Heilung von nahezu allen Krankheiten - Alzheimer, Parkinson, Krebs, Hypertonie und Hypotonie, Stoffwechselerkrankungen, Verdauungsprobleme, Depression. Sogar in akuten Notfällen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall könne es helfen, Armbeuge, Kniekehle oder andere Körperteile so lange mit Schlägen zu bearbeiten, bis riesige Hämatome entstehen und "Körpergifte" abgeführt werden, um "die Energie wieder fließen zu lassen".
Das einwöchige Seminar fand im Hotel "Cleeve House" statt, die Kurse sollen bis zu 750 Pfund (rund 872 Euro) gekostet haben. Doch Danielle C. fand keine Heilung. Am frühen Morgen des 20. Oktober wurde sie von einer Mitbewohnerin tot im Hotelzimmer entdeckt. Die Todesursache wurde noch nicht bekannt gegeben. Ein Polizeisprecher sagte laut Internetportal "This is Wiltshire", man ermittle in dem Todesfall. Demnach wurden drei Personen wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung festgenommen, "eine 64-jährige Frau, ein 51-jähriger und ein 53-jähriger Mann". Ob unter den Festgenommenen auch Hongchi Xiao war, ist nicht bekannt.
Auf der deutschen Seite der "Paida-Lajin"-Anhänger ist ein Beitrag von C. vom 9. August 2016 zu finden: Darin erzählt sie von ihrer Krankheitsgeschichte und den Erfahrungen, die sie während eines ersten Workshops im Juli in Bulgarien sammelte. Laut eigenen Angaben hat C. in 20 Jahren "so gut wie jede alternative Therapie" gegen Diabetes ausprobiert, darunter eine "sehr kostspielige Stammzellentransplantation in Deutschland". Vergeblich. Als man ihr versicherte, "bei Meister Hongchi Xiao in guten Händen zu sein", habe sie sich für dessen Therapie entschieden.
Trotz schwerer hypoglykämischer Schocks setzte C. in Bulgarien demnach die Insulinbehandlung auf eigenen Wunsch aus. Hongchi soll sie allerdings angesichts ihres schlechten Gesundheitszustands gebeten haben, das Medikament wieder einzunehmen. Sie entsprach dem, reduzierte die Insulinmenge wohl aber um die Hälfte. Was die Heilungssuchende damals über die Therapie schrieb, ist nichts für Zartbesaitete.
"Am Abend hatte ich eine sehr ernste Heilungskrise. Den ganzen Tag über hatte ich unter Übelkeit und Blähungen gelitten, gegen Abend spuckte ich entsetzliches sirupartiges schwarzes Zeug. Ich hatte unglaublich schmerzhafte Krampfanfälle, die die ganze Nacht anhielten."
Zwei Teilnehmer des Seminars hätten ihr geholfen und bei jedem Anfall "Paida Lajin" angewandt, berichtete C.
"Am nächsten Morgen fühlte ich mich sehr schlecht, ich konnte kaum laufen. Mein Zuckerspiegel war so himmelhoch, dass das Messgerät ihn gar nicht mehr anzeigen konnte."
Bei "Paida Lajin" schlagen sich Menschen rhythmisch so lange auf die Armbeuge, den Oberschenkel oder jedes andere Körperteil, bis sich zum Teil riesige Hämatome bilden. "Ganz egal, wie die Krankheit heißt, sie hat nur eine Ursache: Blockaden in den Meridianen", doziert Hongchi Xiao. Dass die angebliche Aufhebung dieser "Blockaden" tödlich sein kann, sagt er nicht.
Dabei ist der Fall Danielle C. nicht der erste. In Hurstville nahe Sydney verlor der siebenjährige Aidan Fenton im Jahr 2015 nach einer "Paida Lajin"-Veranstaltung das Bewusstsein und starb. Auch er litt an Diabetes. Die Polizei ermittelte wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung, es wurde aber nie Anklage erhoben.
Seit rund vier Jahren tourt der Ex-Banker und Wirtschaftswissenschaftler Hongchi mit "Paida Lajin" durch Asien, Europa und Kanada. Er verkauft seine Idee, aber auch Bücher und Merchandisingprodukte, wie etwa Klopfgeräte. Kommt es zu einem Kreislaufkollaps oder schlimmeren körperlichen Reaktionen bei den Teilnehmern, kann Hongchi nicht direkt belangt werden: Er legt nicht Hand an, das tun die Teilnehmer selbst.
In China wird die "Klopftherapie" nur sehr selten angewendet, sie gilt als westlich geprägte Weiterentwicklung jahrhundertealter Heilmethoden der traditionellen Chinesischen Medizin. Im Westen wird "Paida Lajin" überwiegend kritisch betrachtet. "Es gibt keine ernsthafte Forschung zur Effizienz solcher Maßnahmen etwa bei Diabetes - und kein seriöser Endokrinologe würde sich je an so etwas herantrauen", sagt Professor Paul Ulrich Unschuld vom Horst-Görtz-Stiftungsinstitut an der Berliner Charité.
"Typ 1 Diabetes kann einen komplett außer Gefecht setzen und ist sehr aggressiv", sagte der Ex-Mann Philipp C. der Lokalzeitung "The Argus". "Deshalb ist es nur natürlich, dass die Betroffenen versuchen, sich selbst zu heilen."
C.s Sohn Matthew sagte der "Mail on Sunday", seine Mutter sei Opfer ihrer falschen Hoffnungen geworden. "Ich bin sicher, dass sie noch leben würde, wenn sie nicht zu diesem Kurs gegangen wäre."