Sehr geehrte Herren,
ich habe bewusst diese Anrede gewählt, da ich mir kompetenten Rat erhoffe. Es treibt mich nämlich eine Frage um, bei der ich mittlerweile weder ein noch aus weiß.
Vor ein paar Monaten habe ich mich an die Redaktion unserer Kirchenzeitung gewandt, um die Vorstellung interessanter Bücher und Romane, sowie erbaulicher Theaterstücke anzuregen. Weil ich nämlich wenig Zeit habe, freue ich mich über Hinweise auf solche Werke, welche mir helfen, die Seele (wie man sagt) baumeln zu lassen. Leider besteht die kulturelle Produktion in unserer Zeit fast ausschließlich aus Schund, wodurch es einen großen Aufwand darstellt, quasi die Perlen in jener Giftmüllhalde aufzufinden.
Als Antwort erhielt ich die Aufforderung, nun wöchentlich eine Kolumne zu schreiben, welche einen Roman, einen Film oder ein Theaterstück vorstellt, in allen Einzelheiten bespricht, sowie dem Leser den Ratschlag gibt, das Werk entweder zu genießen oder zu meiden. Da ich sehr hilfsbereit bin, war es mir unmöglich, jene Aufforderung zur Mitarbeit abzuschlagen. Folglich habe ich nunmehr sieben solche Artikel verfasst, welche sogleich größtes Aufsehen erregten und unsere Kirchenzeitung zum gefragten Medium in der gesamten Umgebung machten. Man erwägt demnächst eine Steigerung der Auflage von 10.000 auf 15.000 Exemplare. Sämtliche Leser sind sich darin einig, dass meine Artikel nicht nur kurzweilig geschrieben sind, sondern eine genaue Kenntnis jener Werke offenbaren und von einem langen Prozess des Nachdenkens zeugen.
Ich möchte dies gar nicht in Abrede stellen, jedoch in diesem Kreise darauf hinweisen, dass ich keinesfalls bereit bin, die jeweils aktuellen Werke tatsächlich zu konsumieren, da sie großteils schlecht sind und mein Seelenheil und vor allem mein ästhetisches Empfinden gefährden würden. Vielmehr lese ich einige Absätze auf diversen Internetz-Seiten, was als Grundlage für das Verfassen eines mehrseitigen Artikels völlig ausreicht und sich leicht in zehn Minuten bewerkstelligen lässt.
Nun hat sich allerdings die örtliche Fachhochschule mit der Bitte um eine Lehrveranstaltung an mich gewandt und ein christlicher Verlag ist mit dem Ansinnen vorstellig geworden, einen christlichen Führer durch die Popkultur des ganzen Jahres 2016 zu verfassen. All dies würde mich einerseits in die Verlegenheit bringen, mich mit jenem Dreck tatsächlich eingehend zu beschäftigen und meine vielen Verpflichtungen zu vernachlässigen! Andererseits habe ich mich noch nie im Leben vor etwas gedrückt und es besteht immerhin Aussicht, unsere Kirchenzeitung zum Leitmedium der ganzen Region zu machen und die kommunistischen Hetzblätter (etwa die Süddeutsche Zeitung und die hiesige Kronen Zeitung) in unserer Gegend allmählich vom Markte zu verdrängen.
Angeekelt ein Plakat des Films Geisterjäger (unredl. Ghostbusters) betrachtend,
W, Gruber