Der Rohrstock

[Gerard von Loyola]

Werte Gemeinde,

nachdem ich von einer Schar Musen geküsst wurde, ist es mir, wie ich wohl
behaupten darf, gelungen, ein Meisterwerk der deutschen Nachkriegslyrik
zu verfassen. Bitte urteilen Sie selbst:

Der Rohrstock

Wie gemauert auf der Erden,
steht der Papa, braungebrannt.
Heute muß gezüchtigt werden,
frischer Rohrstock, sei zur Hand!
Von der Stirne heiß
rinnen muß der Schweiß.
Will das Gör in Sünde toben,
Patsch, der Schlag, der kommt von oben.

Natürlich kenne ich den latenten Neid missgünstiger Menschen, deshalb weise ich
im Voraus etwaige Plagiatsvorwürfe als "völlig abstrus" zurück.
Übereinstimmungen mit einem viellleicht schon bestehenden Werk können, wenn überhaupt, nur unwissentlich entstanden sein.
Allenfalls würde ich mich bereit erklären, den Titel "Dr. der deutschen Lyrik"
vorübergehend nicht meinem Namen voranzustellen.

Den Autogrammwunscherfüllungsstift konisch zufeilend

Gerard Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester
Freiherr von und zu G.-Loyola

[Kreuzritter]

Knabe Loyola,

ich hoffe, das alles ist ein Scherz. Große Teile davon sind aus Friedrich Schillers "Das Lied von der Glocke".
Da Sie auch noch die Vornamen von Herrn Guttenberg übernommen haben, gehe ich davon aus, dass Sie denken, das wäre ein lustiger Scherz. Aber das Werk eines anderen für das eigene auszugeben, halte ich nicht für lustig.
Es ist eine Lüge, also ein Verstoß gegen das achte Gebot und damit nicht akzeptabel. Gehen Sie zu Ihrem Vater und lassen Sie sich züchtigen, bis Sie sich sicher sind, nie wieder solch ein Verbrechen begehen zu wollen.

Lügner verabscheuend,
Ihr Kreuzritter

[Martin Berger]

Herr Guttenberg,

wenngleich es nicht gerne gesehen wird, daß fremde Werke als die eigenen ausgegeben werden, sehe ich in diesem Falle gnädig darüber hinweg, da ja doch einiges verändert wurde und außerdem nicht ausgeschlossen werden kann, daß Ihr Text und das Versmaß zufällig einem bekannten Werk ähneln.

Beide Augen zudrückend und verhaltend ventilierend,
Martin Berger

[Gerard von Loyola]

Werte Herren,

unerwartet scharfer Wind bläst mir entgegen.
Habe ich wirklich während des langejahren Feilens an diesem Werke hochmütig geglaubt,
dichterische und familiäre Anforderungen in Einklang zu bringen?
Bei den zahlreichen Vornamen des Herren zu Guttenberg wird ihm der eine oder andere
von mir verwendete Name mit Sicherheit nicht gleich als verlustig auffallen.
Und wenn es wirklich zu einer kleinen Unregelmäßigkeit mit den Werken von Herrn Schiller
gekommen sein sollte, hoffe ich, dass Herr Schiller mit mir in persönliche Verbindung tritt.

Die Karriere eines hochdotierten Lyrikers vorerst auf Eise legend

Gerard von Loyola