Ein zu weiches Herz (Züchtung)

[Berthold Jerlich]

Werte Gemeinde,

da es mir ein wenig auf der Seele liegt, möchte ich ein Thema ansprechen, welches für mich momentan von äußerster Wichtigkeit ist.
Glücklicherweise habe ich in dieser Woche Urlaub und kann ein paar freie Minuten darin investieren, diese töfte Heimseite zu besuchen.
Ich denke, dass ich von mir in aller Bescheidenheit behaupten kann, ein sanftmütiger und weichherziger Familienvater von äußerster Friedfertigkeit zu sein. Aus diesem Grund schmerzt es mich oftmals sehr, die Kinder oder meine Frau züchtigen zu müssen. Vor allem aber war ich manches Mal inkonsequent und viel zu gutmütig, obwohl ich genau weiss, dass ich meiner Familie damit schade.
Vor einer Weile erwischte ich zum Beispiel meine Tocher beim heimlichen Stehsegeln. Als wäre das noch nicht genug, trug sie statt eines hübschen Rockes ein frivole, weil körperbetonte Nietenhose (unredl. "Jeans").

Wider meiner Ankündigung setzte ich die Strafe nicht laut meines eigenen Wortlautes um, weil falsches Mitleid mich plagte. Statt der tausend Hiebe mit der Dornenpeitsche, beendete ich die Lektion verfrüht nach nur neunhundert Schlägen. Ich habe damit nicht nur mein Wort gebrochen - was ihr gegenüber sehr unfair ist, ich habe auch nicht alles unternommen, um sie auf den Pfad der Tugend zurück zu führen.

Bei der Züchtigung meiner Frau machte ich schon hin und wieder eine Pause, wenn das arme Geschöpft all zu laut schrie und wimmerte. Ich tröstete sie ein wenig, reichte ihr ein Taschentuch und setzte die Lektion fort, nachdem sie sich etwas beruhigt hat.

Da wir kürzlich in ein neues Haus gezogen sind, kommt mir die Archiktekur des selbigen wunderbarerweise etwas entgegen, um bei meiner Züchtigung ein wenig Milde walten lassen zu können.
Eine winzige Abstellkammer; eigentlich fast ein Wandschrank hinter einer normalen Zimmertür wurde von mir als Bußkammer eingerichtet. Der Raum ist gerade so groß, dass ein Mensch darin stehen kann. Zum Hinsetzen, Niederbeugen, Einknicken der Knie oder dem Heben der Arme reicht der Platz nicht.
Benötigen meine Kinder oder meine Frau eine Lektion, drücke ich bei minderschweren Vergehen schonmal beide Augen zu. In diesem Fall verzichte ich auf Gürtel, Rohrstock oder Peitsche und sperre den Sünder zum Beten und Büßen in die Bußkammer. Dort muss so laut gebetet werden, dass ich es durch die Tür auch hören kann. Nachdem das Kind oder meine Frau dort 24 Stunden gestanden und gebüßt hat, öffne ich die Kammer wieder, damit das Kind in die Schule gehen kann - oder meine Frau den Haushalt erledigt.
Die Bußkammer wird jedoch nur selten gebraucht. Mehr als insgesamt 48 Stunden pro Woche ist sie selten besetzt.

Da meine Kinder und auch meine Frau sehr gut erzogen sind, wissen sie sehr wohl, dass dies alles nur aus Liebe geschieht und zu ihrem Besten ist. Aus diesem Grund bedanken sie sich auch artig für jeden einzelnen Schlag mit dem Stock, dem Gürtel oder der Peitsche.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Tag und eine im Sinne des Herrn gelebte Woche.

Herzlichst Ihr

Berthold Jerlich

[A. Grillmeister]

Herr Jerlich,

Es ist wirklich herzergreifend, wie Sie fast unermüdlich Liebe in Ihre Familie hineinprügeln. Ich hoffe, Sie haben sich, wie heute allgemein üblich, die Erlaubnis Ihrer Frau und Ihrer Tochter eingeholt. Andernfalls wird man Ihnen das Begehen irgendwelcher neumodischer Straftaten anlasten. Die Zeiten sind grausam.

[Lazarus der Bekehrte]

Werter Herr Jerlich,
Wenn sie sich nicht im Stande sehen, die Züchtigung an der Familie selber durch zu führen, so kann ich ihnen nur empfehlen jemand anders ihren Platz ein zu nehmen.
Ich habe beim Stehsegeln im Internetz eine Seite gefunden, auf der man sieht wie fremde, maskierte Menschen, Frauen und Männer züchtigen wärend einige andere Personen (wahrscheinlich die zimperlichen Familienmitglieder) daneben stehen und das Schauspiel mit einem zufriedenem Lächeln begutachten.
Ich würde mich bereit erklären, heraus zu finden, ob man diese maskierten Wohltäter wohl mieten kann.

Gute Grüße wünscht,
Lazarus der Bekehrte.