Moralisches Dilemma/ Gedankenexperiment

[Ketzerschreck]

Werte Brett-Gemeinde!

Ein moralisches Rätsel, das mich nun seit Tagen plagt, verdrängte jetzt auch schon beim nächtlichen Gebet die Stimme des HERRn aus meinem Kopf. Dies geht mir nun definitiv zu weit- daher ersuche ich sie, sich mit jenem Dilemma auseinanderzusetzen:

Ihr Pfarrer reicht Ihnen eines Tages einen alchimistischen (!!!) Trunk, mit den Worten: "Kind, jeder der dies seinen Rachen hinabschüttet, wird sofortig und für immer, ein töfter Christ. Egal, welche Unzucht er in der Vergangenheit, mit wem oder was, trieb. Ein Tropfen kann Millionen missionieren!"

Müsste man nun den Pfarrer anzeigen, da er sich der Kunst des Brauens satanischer Getränke zugewandt hat, oder wäre es redlich Satanisten zu bekehren, indem man den mysteriösen Trunk in das städtische Trinkwasser schüttete?

Meine christliche Intention lässt mich eher die erste Option favorisieren. Doch wenn ich daran denke, dass der Rohrstock, der HERR hab ihn seelig, doch eigentlich ein ähnlicher, jedoch weniger effizienter Weg ist, die Satanisten in den Schoß des Glaubens zu prügeln, tendiere ich zur zweiten Option.

Was sagen Sie, werte Christen? Wäre eine alchimistische Mixtur dem Rohrstock, der zwar persönlicher, aber weniger machtvoll ist, vorzuziehen? Oder handelt es sich bei einer solchen um diabolische Einflüsse, von denen es geboten ist, die Finger zu lassen?

Grübelnd,
Ketzerschreck.

[Post scriptum: Ich verfüge nicht über ein solches Gebräu. Es ist lediglich... eine theoretische Erwägung.]

[Josef Baldauf]

Werter Herr Ketzerschreck,

ein löblicher Christ wird nicht, wer sich einfach eine alchimistische Mixtur einflößt! Es ist ein langer Weg, den der Willige mit großem Ehrgeiz und Eifer gehen muss. Wo kämen wir denn hin, wenn einem Jeden im Nu all seine Schandtaten vergeben würden?

Seine Meinung kundtuend,
Josef Baldauf

[Ketzerschreck]

Werter Herr Baldauf!

Selbstverständlich haben Sie hiermit Recht. Doch es geht nicht um einen hypothetischen Trunk, der Sünden ungeschehen macht, sondern einen, der die Mentalität der Menschen ändert. Wie ein heftiger Knüppelschlag auf den Hinterkopf die mathematischen Fähigkeiten so mancher junger Christen... verändert hat.

Dieser Trunk gewährte nicht Errettung aus dem drohenden Schwefelsee, doch machte einen jeden, der ihn trinkt, zu einem Mensch mit redlich-christlicher Absicht.

Ergänzend,
Ketzerschreck.

[Franz-Joseph von Schnabel]

Werter Herr Schreck,
Sie scheinen die heilige Schrift nicht verstanden zu haben.
Der HERR gab uns den freien Willen, zu entscheiden, was gut und was böse ist, nachdem Eva Adam die Frucht der Erkenntnis reichte.
Ein Trank, welcher dem Menschen den freien Willen raubt, auch wenn jene Marionette dann nicht mehr sündigt, kann niemals redlich sein.
Einen Apfel essend,
Schnabel

[Josef Baldauf]

Grüß Gott Herr Ketzerschreck,

in diesem Falle habe ich Ihre Botschaft falsch verstanden. Das liegt dann wohl an einem Interpretationsfehler meinerseits. Ist es aber nicht so, dass nur derjenige die Rettung durch unseren HERRn verdient, der eben diesen langen, steinigen Weg zur Löblichkeit "von sich aus" geht? Eigeninitiativ?

Fragend,
Josef Baldauf

[Konrad Juckreiz]

Ist es aber nicht so, dass nur derjenige die Rettung durch unseren HERRn verdient, der eben diesen langen, steinigen Weg zur Löblichkeit "von sich aus" geht? Eigeninitiativ?

Nun, meine Herren,

was die Eigeninitiative angeht, das ist zwar richtig - doch kann man da auch etwas nachhelfen (eine Liste mit tauglichen Mitteln zur Unterstützung einer solchen Eigeninitiative finden Sie hier: ⎆ Methoden zur Entscheidungshilfe ⇐) - vom Einsatz alchemistischer Mittel oder von Drogen ist aber meiner Meinung nach entschieden abzuraten.

Nachhilfe im Nachhelfen erteilend,
Konrad J.

[Ketzerschreck]

Werte Herren!

Ich dachte mir, dass jene Überlegungen kontrovers aufgenommen werden würde.
Allerdings will ich darauf hinweisen, dass die Züchtigung mit dem Rohrstock doch auch als "christliche Konditionierung" gesehen werden könnte: Der Wille des Sünders wird mit Hieben geformt und umgestaltet.

Dennoch wäre wohl niemand so dreist zu behaupten, eine ordentliche Züchtigung wäre eine Beschneidung persönlicher Freiheit?!

Wie zudem, edler Herr Schnabel, ist erklärbar, dass es sich bei der Apfel-Nascherei um eine sündige Handlung handelte, wenn der freie Wille erst danach dem Menschen zu Teil wurde? (Dies ist lediglich eine theoretische Frage: Jeder WEISS, dass die Handlung sündig war, ohne Argumente dafür zu benötigen- halten Sie mich daher bitte nicht für einen Dämon.)

Voller freiem Willen auf "Absenden" schaltend,
Ketzerschreck.

[Franz-Joseph von Schnabel]

Werter Herr Schreck,

Sie haben dahingehend Recht, daß es wohl besser gewesen wäre, statt des Apfels die Schlange zu essen. Auch deshalb liebe ich, wie bereits in anderen Fäden erwähnt, die asiatische Küche.

Herzlich grüßend,
Schnabel

[Ketzerschreck]

Werter Herr von Schnabel!

Es ist durchaus eine theologisch interessante Fragestellung, wie der HERR jenes Vorgehen (das Essen der Schlange) beurteilt hätte. Allerdings ist zu bezweifeln, dass das Reptil sonderlich gemundet hätte. Aber ein tapferer Christ nimmt auch das auf sich!

Eine andere Möglichkeit wäre es natürlich auch gewesen, die Schlange zu domestizieren, und ihr Kunststücke beizubringen. Etwa den eigenen Schwanz zu verspeisen, und wie ein Reifen im Paradiese umher zu rollen. Ich hoffe allerdings, diese Vorstellung ist nicht allzu frivol!

Eine Totentrompete grillend,
Ketzerschreck.

[Franz-Joseph von Schnabel]

Werter Herr Schreck,

das von Ihnen löblich entwickelte neuerliche Gedankenexperiment, nähme die Erfindung des knorken Rads voraus.
Mutmaßlich hätte jener Quantensprung eine technologische Entwicklung eingeleitet, welche ebenfalls unweigerlich zu einer Vertreibung aus dem Paradies geführt hätte.
Nachdenklich,
Schnabel